Am 21. Juni 2015 begleitete ich den rechten Aufmarsch Widerstand Ost/ West in Frankfurt.
Die enstandenen Bilder wurden bei Endstation Rechts verwendet.
Sonntag, 21. Juni 2015
von Thomas Witzgall
Patriotische Großdemo floppt in Frankfurt
Viel Aufwand bei minimalem Ertrag. Das ist die Bilanz der ersten „Großdemo“ der neuen Organisation „Widerstand Ost/West“ um einige Pegida-abtrünnige Islamhasser. Nur knapp 200 Anhänger erschienen beim mit viel Tamtam angekündigten Aufzug. Begleitet wurde die Veranstaltung von vielen Gegendemonstranten und etlichen Pleiten und Pannen auf Seiten der Nationalisten und Rassisten.
Die Organisation „Widerstand Ost/West“ (WOW), unter deren Namen die Veranstaltung in Frankfurt gestern lief, wird nach außen durch Ester Seitz aus Neumarkt in der Oberpfalz repräsentiert. Die junge Aktivistin hatte ihre politischen Anfänge beim Münchner Pegida-Ableger, wo sie einige Male als Rednerin auftrat. Ihre ideologische Rolle – sie gab sich nach wenigen Reden gegenüber den demokratischen Parteien und Medien ähnlich hochnäsig und arrogant wie ihre Vorbilder – wurde von der „Bewegung“ selber mit Begriffen wie „Küken“ oder „Nesthäkchen“ verniedlicht. Im Rahmen der Pegida-Dokumentation der ARD wurde sie interviewt, kam aber in der Sendung nicht zu Wort.
Lutz Bachmann entzog ihr in der Folge das Vertrauen, was einem Redeverbot gleichkam. Nachdem der Bannstrahl auch andere Akteure, unter anderem Michael Stürzenberger, getroffen hatte, dürfte in diesem Personenkreis die Entscheidung gereift sein, eine eigene „Bewegung“ auf die Beine zu stellen. Kein Wunder, dass die Veranstaltung den Eindruck erweckte, es Bachmann „zu zeigen“, der mit Pegida im Westen nie Fuß fassen konnte. Mit angekündigtem Livestream, Bühne und Videoleinwand wirkte das Treffen von Islamhassern, Neurechten, Verschwörungstheoretikern und wenigen Neonazis wie eine Kopie des Dresdener Originals. Mit Frankfurt am Main suchten sich die Organisatoren diejenige Stadt aus, in der es Pegida bisher „am schwersten“ hatte. Der Auftritt in der Main-Metropole war also eine doppelte Machtprobe: gegen den zu erwartenden zivilgesellschaftlichen Widerstand und gegen die Konkurrenz im eigenen ideologischen Boot.
Frühere Verbündete gingen dem Dresdener „Mutterschiff“ bald von der Fahne und schlossen sich als „Widerstand NRW“ oder Karlsruhe der anderen Organisation an. Auf Facebook stichelten die Akteure gegeneinander, Grabenkämpfe im eigenen Milieu. Seitz legte für die Mobilisierung ihre Distanz zu Akteuren der neonazistischen Rechten ab, mit dem Hamburger NPD-Chef Thomas Wulff zählte ein erklärter Nationalsozialist zu ihren Facebook-Freunden. Gegen die Teilnahme eines bayerischen Funktionärs der Partei Die Rechte hatte WOW nichts einzuwenden. Insgesamt blieb das neonazistische Spektrum der Veranstaltung weitgehend fern, denn die Neonazis liegen mit Seitz & Co. aufgrund deren erklärter „Israel-Freundlichkeit“ in einem wichtigen ideologischen Punkt nicht auf einer Wellenlänge.
200 Anhänger werden zum „Erfolg“ – nächstes „Event“ in Leipzig
Wie groß Seitz und ihre Anhänger die Veranstaltung geplant hatten, war schon an der Zahl der Ordner zu sehen. Ganze 60 Personen sollten die Organisatoren vorher bei der Polizei namentlich melden, was bei den üblichen Relationen von Demonstrationsteilnehmern zu Ordnern schon auf eine vierstellige Besucherzahl schließen ließ. Gekommen waren etwa 200 Anhänger und das trotz bundesweiter Mobilisierung. Zum anvisierten Start um Punkt 13.00 Uhr waren es ganze 80 Personen, obwohl die WOW-Macher in den Wochen zuvor unzählige Kilometer zurückgelegt und bei allen möglichen Gruppen um Unterstützung geworben hatten. Das Ergebnis kann im Verhältnis zum Ertrag nur als ernüchternd bezeichnet werden. Einzig einen höheren Zuspruch als Pegia in Frankfurt aufzuweisen, blieb als schwacher Trost.
Begleitet wurde die Veranstaltung von etlichen Pannen. Bis zuletzt bekamen die Veranstalter die Soundanlage nicht eingepegelt, Mikrofone fielen aus, Redner mussten ihre Ansprachen unterbrechen. Ein Video, in dem eine vorgeblich ehemalige Polizistin interviewt wurde, war zu leise und nicht zu verstehen. Selbst eine fehlende Brille machte den selbsternannten Verteidigern des Abendlandes einen Strich durch die Rechnung, da sie eine problemlose Rede verhindert. Hinzu kam schlechtes Zeitmanagement. „Märchenblogger“ Karl-Michael Merkle fand wie immer kein Ende; Seitz musste ihn kurz vor 17.30 Uhr abwürgen, um noch Zeit für die Nationalhymne zu haben. Nach dieser „Machtdemonstration“ soll nun erst einmal Sommerpause sein, danach soll es – wohl im September – in Leipzig weitergehen. 2017 will der WOW dann über die Teilnahme an Wahlen die Parlamente stürmen. In der Zwischenzeit sollen weitere „Ableger“ zum „Dachverband“ hinzustoßen.
Hooligans bestimmender Faktor bei Widerstand Ost/West
Der Nachmittag wurde maßgeblich von Konkurrenz-Gedanken gegenüber Pegida bestimmt. Die Karlsruher Islamhasser beispielsweise klagten über die Redeverbote, die von Bachmann verhängt worden seien. Begleitet wurden die Reden von Drohungen gegen Medien und Justiz, die Parole von der „Lügenpresse“ durfte nicht fehlen.
Bestimmt wurde das Bild vor allem von zahlreichen Hooligangruppen, die den Weg nach Frankfurt gefunden hatten. Beobachter erkannten die „Berserker“ aus Pforzheim und deren Ableger aus Wolfsburg. Andere Anhänger bekannten sich zu den Fußballklubs aus Dresden, Gelsenkirchen und Kaiserslautern. PI-Autor Stürzenberger fuhr ihnen um den Bart und verharmloste ihr Treiben als „fairen Sport“, später wollte er aber mögliche Sitzblockierer gerne „wegknüppeln“ lassen.
Die Organisatoren, die sich vorm Verwaltungsgericht zurück in die Innenstadt auf den Roßmarkt geklagt hatten, bestanden auf einen „Spaziergang“. Der führte sie nach einer längeren Wartezeit, bei der mehrmals schief die Nationalhymne angestimmt wurde, einmal um den Gebäudekomplex am Roßmarkt und Goetheplatz herum und war nur knapp 600 Meter lang. Eine längere Strecke war aufgrund des zivilgesellschaftlichen Widerstandes nicht durchführbar. Der Demonstrationszug führte nahe an die Gegenveranstaltung und deren Sammelpunkte. Vereinzelt wurden Tomaten und Gegenstände in Richtung der „Spaziergänger“ geworfen. Gegen die Veranstaltung protestierten mehrere Tausend Menschen. Im Versammlungsbereich blieb es friedlich, etwas außerhalb der Sichtweite soll es Zusammenstöße gegeben haben. Die Polizei fuhr zur Drohung mehrfach Wasserwerfer auf, die aber - soweit beobachtet - nicht zum Einsatz kamen. Nach Polizeiangaben gab es 30 Festnahmen, davon elf bei der wesentlich kleineren Gruppe des WOW.
von Thomas Witzgall
Patriotische Großdemo floppt in Frankfurt
Viel Aufwand bei minimalem Ertrag. Das ist die Bilanz der ersten „Großdemo“ der neuen Organisation „Widerstand Ost/West“ um einige Pegida-abtrünnige Islamhasser. Nur knapp 200 Anhänger erschienen beim mit viel Tamtam angekündigten Aufzug. Begleitet wurde die Veranstaltung von vielen Gegendemonstranten und etlichen Pleiten und Pannen auf Seiten der Nationalisten und Rassisten.
Die Organisation „Widerstand Ost/West“ (WOW), unter deren Namen die Veranstaltung in Frankfurt gestern lief, wird nach außen durch Ester Seitz aus Neumarkt in der Oberpfalz repräsentiert. Die junge Aktivistin hatte ihre politischen Anfänge beim Münchner Pegida-Ableger, wo sie einige Male als Rednerin auftrat. Ihre ideologische Rolle – sie gab sich nach wenigen Reden gegenüber den demokratischen Parteien und Medien ähnlich hochnäsig und arrogant wie ihre Vorbilder – wurde von der „Bewegung“ selber mit Begriffen wie „Küken“ oder „Nesthäkchen“ verniedlicht. Im Rahmen der Pegida-Dokumentation der ARD wurde sie interviewt, kam aber in der Sendung nicht zu Wort.
Lutz Bachmann entzog ihr in der Folge das Vertrauen, was einem Redeverbot gleichkam. Nachdem der Bannstrahl auch andere Akteure, unter anderem Michael Stürzenberger, getroffen hatte, dürfte in diesem Personenkreis die Entscheidung gereift sein, eine eigene „Bewegung“ auf die Beine zu stellen. Kein Wunder, dass die Veranstaltung den Eindruck erweckte, es Bachmann „zu zeigen“, der mit Pegida im Westen nie Fuß fassen konnte. Mit angekündigtem Livestream, Bühne und Videoleinwand wirkte das Treffen von Islamhassern, Neurechten, Verschwörungstheoretikern und wenigen Neonazis wie eine Kopie des Dresdener Originals. Mit Frankfurt am Main suchten sich die Organisatoren diejenige Stadt aus, in der es Pegida bisher „am schwersten“ hatte. Der Auftritt in der Main-Metropole war also eine doppelte Machtprobe: gegen den zu erwartenden zivilgesellschaftlichen Widerstand und gegen die Konkurrenz im eigenen ideologischen Boot.
Frühere Verbündete gingen dem Dresdener „Mutterschiff“ bald von der Fahne und schlossen sich als „Widerstand NRW“ oder Karlsruhe der anderen Organisation an. Auf Facebook stichelten die Akteure gegeneinander, Grabenkämpfe im eigenen Milieu. Seitz legte für die Mobilisierung ihre Distanz zu Akteuren der neonazistischen Rechten ab, mit dem Hamburger NPD-Chef Thomas Wulff zählte ein erklärter Nationalsozialist zu ihren Facebook-Freunden. Gegen die Teilnahme eines bayerischen Funktionärs der Partei Die Rechte hatte WOW nichts einzuwenden. Insgesamt blieb das neonazistische Spektrum der Veranstaltung weitgehend fern, denn die Neonazis liegen mit Seitz & Co. aufgrund deren erklärter „Israel-Freundlichkeit“ in einem wichtigen ideologischen Punkt nicht auf einer Wellenlänge.
200 Anhänger werden zum „Erfolg“ – nächstes „Event“ in Leipzig
Wie groß Seitz und ihre Anhänger die Veranstaltung geplant hatten, war schon an der Zahl der Ordner zu sehen. Ganze 60 Personen sollten die Organisatoren vorher bei der Polizei namentlich melden, was bei den üblichen Relationen von Demonstrationsteilnehmern zu Ordnern schon auf eine vierstellige Besucherzahl schließen ließ. Gekommen waren etwa 200 Anhänger und das trotz bundesweiter Mobilisierung. Zum anvisierten Start um Punkt 13.00 Uhr waren es ganze 80 Personen, obwohl die WOW-Macher in den Wochen zuvor unzählige Kilometer zurückgelegt und bei allen möglichen Gruppen um Unterstützung geworben hatten. Das Ergebnis kann im Verhältnis zum Ertrag nur als ernüchternd bezeichnet werden. Einzig einen höheren Zuspruch als Pegia in Frankfurt aufzuweisen, blieb als schwacher Trost.
Begleitet wurde die Veranstaltung von etlichen Pannen. Bis zuletzt bekamen die Veranstalter die Soundanlage nicht eingepegelt, Mikrofone fielen aus, Redner mussten ihre Ansprachen unterbrechen. Ein Video, in dem eine vorgeblich ehemalige Polizistin interviewt wurde, war zu leise und nicht zu verstehen. Selbst eine fehlende Brille machte den selbsternannten Verteidigern des Abendlandes einen Strich durch die Rechnung, da sie eine problemlose Rede verhindert. Hinzu kam schlechtes Zeitmanagement. „Märchenblogger“ Karl-Michael Merkle fand wie immer kein Ende; Seitz musste ihn kurz vor 17.30 Uhr abwürgen, um noch Zeit für die Nationalhymne zu haben. Nach dieser „Machtdemonstration“ soll nun erst einmal Sommerpause sein, danach soll es – wohl im September – in Leipzig weitergehen. 2017 will der WOW dann über die Teilnahme an Wahlen die Parlamente stürmen. In der Zwischenzeit sollen weitere „Ableger“ zum „Dachverband“ hinzustoßen.
Hooligans bestimmender Faktor bei Widerstand Ost/West
Der Nachmittag wurde maßgeblich von Konkurrenz-Gedanken gegenüber Pegida bestimmt. Die Karlsruher Islamhasser beispielsweise klagten über die Redeverbote, die von Bachmann verhängt worden seien. Begleitet wurden die Reden von Drohungen gegen Medien und Justiz, die Parole von der „Lügenpresse“ durfte nicht fehlen.
Bestimmt wurde das Bild vor allem von zahlreichen Hooligangruppen, die den Weg nach Frankfurt gefunden hatten. Beobachter erkannten die „Berserker“ aus Pforzheim und deren Ableger aus Wolfsburg. Andere Anhänger bekannten sich zu den Fußballklubs aus Dresden, Gelsenkirchen und Kaiserslautern. PI-Autor Stürzenberger fuhr ihnen um den Bart und verharmloste ihr Treiben als „fairen Sport“, später wollte er aber mögliche Sitzblockierer gerne „wegknüppeln“ lassen.
Die Organisatoren, die sich vorm Verwaltungsgericht zurück in die Innenstadt auf den Roßmarkt geklagt hatten, bestanden auf einen „Spaziergang“. Der führte sie nach einer längeren Wartezeit, bei der mehrmals schief die Nationalhymne angestimmt wurde, einmal um den Gebäudekomplex am Roßmarkt und Goetheplatz herum und war nur knapp 600 Meter lang. Eine längere Strecke war aufgrund des zivilgesellschaftlichen Widerstandes nicht durchführbar. Der Demonstrationszug führte nahe an die Gegenveranstaltung und deren Sammelpunkte. Vereinzelt wurden Tomaten und Gegenstände in Richtung der „Spaziergänger“ geworfen. Gegen die Veranstaltung protestierten mehrere Tausend Menschen. Im Versammlungsbereich blieb es friedlich, etwas außerhalb der Sichtweite soll es Zusammenstöße gegeben haben. Die Polizei fuhr zur Drohung mehrfach Wasserwerfer auf, die aber - soweit beobachtet - nicht zum Einsatz kamen. Nach Polizeiangaben gab es 30 Festnahmen, davon elf bei der wesentlich kleineren Gruppe des WOW.